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Zwingt wirklich nur noch Apple Samsung dazu, innovativ zu sein?

von ytools
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Wer sich schon länger für Smartphones interessiert, erinnert sich: Früher war Samsung die Marke, die völlig verrückte Dinge zuerst ausprobiert hat. Riesige Galaxy-Note-Klötze mit Stift, gebogene Edge-Displays, frühe Experimente mit flexiblen Panels – und alle anderen mussten hinterherziehen. Heute wirkt das Bild anders. Die Geräte sind technisch top, keine Frage, aber die großen, mutigen Schritte der Koreaner fallen immer häufiger genau in den Moment, in dem Apple denselben Markt ins Auge fasst.
Zwingt wirklich nur noch Apple Samsung dazu, innovativ zu sein?
Und damit steht plötzlich eine unangenehme Frage im Raum: Treibt Samsung die Branche noch an – oder wartet der Konzern nur ab, bis Apple die Richtung vorgibt?

Wenn man die letzten Jahre nüchtern Revue passieren lässt, zieht sich ein roter Faden durch Samsungs Strategie. Statt radikal neue Kategorien aus dem Nichts zu schaffen, reagiert das Unternehmen auffallend oft auf Gerüchte, Leaks und Ankündigungen aus Cupertino. Foldables, ultradünne Flaggschiffe, XR-Headsets, ja sogar Elemente der One-UI-Oberfläche: Immer wieder bekommt man das Gefühl, dass Samsung erst dann Vollgas gibt, wenn Apple dasselbe Spielfeld betritt oder zumindest laut darüber nachdenkt.

Das deutlichste Beispiel ist die Galaxy-Z-Fold-Reihe. Die ersten Z-Fold-Generationen waren beeindruckende Technologiedemos – aber eben genau das: Demos. Dicke Gehäuse, merklich schwer, Kamera-Setups mit klaren Abstrichen und Software, die sich oft so verhielt, als hätte man einem normalen Smartphone einfach eine größere Anzeige verpasst. Parallel dazu brachten chinesische Hersteller in ihrem Heimatmarkt immer reifere Foldables an den Start: leichter, flacher, alltagstauglicher. Trotzdem hatte Samsung außerhalb Asiens kaum echten Wettbewerb, besonders nicht in den USA. Man konnte sich also leisten, „nur“ solide zu liefern.

Dann kam das Galaxy Z Fold 7 – und plötzlich wirkte alles deutlich erwachsener. Das Scharnier fühlte sich stabiler an, das Gerät war schlanker, der Spalt im zugeklappten Zustand kleiner, die Kameras konkurrenzfähig und One UI nutzte das große Innendisplay viel gezielter. Zum ersten Mal hatte man den Eindruck: Das ist kein Experiment mehr, das ist ein Produkt, das man guten Gewissens jedem Technikfan empfehlen kann. Zufall oder nicht – dieser Qualitätssprung fiel genau in die Phase, in der die Gerüchte über ein faltbares iPhone immer lauter wurden.

Parallel dazu tauchten erste Hinweise auf den Galaxy G Fold auf – ein noch radikaleres Konzept mit dreifach faltbarem Display. Genau in dem Moment, in dem klar wurde, dass Apple ernsthaft mit flexiblen Formfaktoren spielt, legte Samsung nach und zog die Innovationsschraube deutlich fester an. Man muss kein Zyniker sein, um zu vermuten: Die Aussicht auf ein Foldable mit Apfel-Logo hat intern mehr bewirkt als jahrelange Konkurrenz aus China.

Ein ähnliches Muster zeigt sich beim Thema ultradünne Spitzenmodelle. Kaum machten Leaks die Runde, Apple arbeite an einem extrem flachen iPhone Air, tauchten Meldungen über ein vergleichbares Projekt bei Samsung auf. Kurze Zeit später stand das Galaxy S25 Edge im Raum: ein sehr schlanker Premium-Bolide, hochwertiges Finish, starke Hardware – und vor allem deutlich früher am Markt als der mutmaßliche iPhone-Air-Konkurrent. Der Beweis: Wenn Samsung will, kann der Konzern Apple beim Thema Design und Ingenieurskunst durchaus zuvorkommen.

Umso bitterer ist es, dass die Edge-Linie laut Berichten bereits wieder auf der Kippe steht. Dabei hätte dieses Format mit der richtigen Akku-Technik eine glänzende Zukunft. Silizium-Carbon-Batterien etwa könnten höhere Kapazitäten bei schlankeren Gehäusen ermöglichen. Ein Galaxy S26 Edge und ein iPhone Air mit echten Langläufer-Akkus in federleichten Gehäusen – das wäre die Art von Wettrennen, in dem Samsung früher mit Freude vorangeprescht wäre. Stattdessen wirkt es so, als warte man ab, ob Apple sich langfristig zum Ultradünn-Konzept bekennt, bevor man sich selbst komplett festlegt.

Auch softwareseitig rückt Samsung merklich näher an Apple heran. Die Now Bar ist durchaus praktisch, aber sie wirkt wie eine sehr direkte Antwort auf das Dynamic Island der iPhones. Die aktuelle One-UI-Generation ist aufgeräumter, klarer strukturiert und moderner – allerdings erinnern Gestensteuerung, Layout und manche Animationen deutlich an iOS. Die gute Nachricht: One UI bewahrt weiterhin genügend Eigenständigkeit und bleibt flexibler als viele Oberflächen aus China. Die schlechte: Je genauer man hinschaut, desto offensichtlicher wird, woher ein Teil der Inspiration stammt.

Richtig heikel wird die Diskussion beim Thema Extended Reality. Mit dem Galaxy XR meldet sich Samsung nach Jahren Funkstille wieder im XR-Geschäft zurück. Auf dem Papier ist das eine fantastische Nachricht: Ein Headset, preislich näher an der Realität als das Apple Vision Pro, dafür mit Android XR, potentiell größerer App-Auswahl und mehr Freiheiten. Doch optisch wirkt das Gerät fast wie der Android-Cousin des Vision Pro. Die Frontform, der generelle Rahmen, die Art der Kopfhalterung – alles wirkt vertraut, vielleicht zu vertraut.

Samsung hat schon früher Ärger damit gehabt, Apple-Designs zu nahe zu kommen – bei Smartphones, In-Ears und Smartwatches. Beim Galaxy XR fällt das Kopieren weniger plump aus, aber in Kombination mit der Strategie wirkt es trotzdem problematisch. Denn auch hier ist der Plan ausgesprochen ähnlich: XR-Headset jetzt, langfristig der Übergang zu leichten AR-Brillen, die digitale Infos in die reale Welt einblenden. Genau dieses „Zwischenstufe“-Narrativ hört man auch aus dem Apple-Lager, wenn es um das Vision Pro geht.

Natürlich wäre es unfair zu behaupten, Samsung hätte keine eigenen Ideen mehr. Die Display-Sparte setzt weiterhin Maßstäbe, Kamera-Experimente mit 200-Megapixel-Sensoren und Periskop-Zooms kommen in erster Linie von dort, und die verzahnte Galaxy-Welt aus Smartphone, Tablet, Laptop, TV und Wearables ist in vielen Details hervorragend umgesetzt. Trotzdem: In der öffentlichen Wahrnehmung wirken die lautesten, auffälligsten Sprünge immer häufiger wie Reaktionen auf Apple-Impulse – und nicht wie völlig eigenständige Visionen.

Genau daraus entsteht Unsicherheit für die Zukunft. Das Galaxy Z Fold 8 dürfte, wenn sich die Leaks bewahrheiten, ein brillant ausgereiftes Foldable werden. Aber was passiert, wenn das erste faltbare iPhone am Markt floppt oder gar nicht erst erscheint? Bleibt der Druck groß genug, damit Samsung beim Z Fold 9 noch einmal kräftig nachlegt? Oder lässt man die Innovation langsam auslaufen, sobald der wichtigste Gegner das Thema nicht mehr priorisiert?

Das Gleiche gilt für Batterietechnologien. Wenn Apple konservativ bleibt und Silizium-Carbon-Zellen oder andere High-Density-Ansätze verzögert einsetzt, wird Samsung dann den Mut haben, als Erster im großen Stil voranzugehen? Oder passt man sich lieber dem Tempo aus Cupertino an, aus Angst, im Falle eines Problems allein im Rampenlicht zu stehen? Dabei hätte Samsung rein technisch und industriell definitiv das Zeug dazu, wieder einmal voranzumarschieren.

Auch die klassische Galaxy-S-Reihe steht an einem Scheideweg. Über das Galaxy S26 heißt es bislang, es handle sich eher um ein vorsichtiges Feintuning des S25 als um einen großen Sprung. Ein bisschen mehr Kameraqualität hier, etwas effizientere Chips dort – das ist nett, aber nicht aufregend. Es wirkt, als hätte Samsung die richtig riskanten Experimente komplett in Richtung Foldables und XR verschoben, während die Brot-und-Butter-Serie Galaxy S entsprechend „brav“ weitergeführt wird.

Eine wichtige Rolle spielt die Marktlage in den USA. Dort, wo ein Großteil der globalen Tech-Berichterstattung entsteht, sind chinesische Hersteller quasi nicht präsent – erst recht nicht im Premiumsegment. Für viele Kundinnen und Kunden existieren im oberen Preisbereich nur zwei Namen: iPhone und Galaxy. In so einer Umgebung ist es fast logisch, dass Samsung den Blick zu 90 Prozent auf Apple richtet. Wenn der wichtigste Gegner nur ein einziger Player ist, wird dieser zwangsläufig zum Maßstab für jede größere Entscheidung.

Langfristig ist das aber gefährlich. Eine Firma, die sich zu stark am Konkurrenten orientiert, läuft Gefahr, maximal zweiter Sieger zu werden – selbst dann, wenn sie technisch oft vorn liegt. Innovation aus der Defensive fühlt sich nie so kraftvoll an wie Innovation aus Überzeugung. Samsung könnte viel gewinnen, wenn der Konzern sich wieder traut, eigene Wetten abzuschließen: zum Beispiel mit wirklich alltagstauglichen Tri-Fold-Geräten, robusten Foldables in der Mittelklasse oder einem XR-Headset, das bewusst anders aussieht, anders funktioniert und andere Schwerpunkte setzt als das Vision Pro.

Die gute Nachricht: Noch ist nichts verloren. Die nächsten Produktgenerationen werden zu einer Art Charaktertest für Samsung. Wie mutig wird das Galaxy Z Fold 8 tatsächlich? Bleibt das S26 ein moderates Upgrade oder überrascht es doch mit einem klaren Alleinstellungsmerkmal? Und vor allem: Tauchen Galaxy-Smartglasses am Markt auf, bevor Apple seine eigenen AR-Brillen fertig hat – und bringen sie eine Idee mit, die nicht von Cupertino ausgeliehen ist?

Viele langjährige Fans wünschen sich genau das: eine Samsung-Rückkehr zu der Rolle, die das Unternehmen in der Ära von Galaxy Note und den ersten Edge-Geräten hatte. Damals wirkte es, als würde Samsung einfach machen, worauf man technisch Lust hat – und die Konkurrenz müsse sehen, wie sie hinterherkommt. Ob dieser Geist wiederkehrt oder ob der Konzern sich damit begnügt, der schnellste Nachzügler hinter Apple zu sein, werden die nächsten ein, zwei Jahre zeigen. Fest steht nur: Der Markt braucht dringend wieder einen Samsung, das nicht wartet, bis Apple das Licht einschaltet, sondern selbst den Schalter umlegt.

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