Wer sich seit Jahren mit PC-Hardware beschäftigt, kennt das übliche Bild: Nvidia dominiert die Verkaufscharts, AMD spielt die ewige Preis-Leistungs-Alternative. Genau dieses Narrativ bekommt jetzt ausgerechnet in Deutschland einen dicken Kratzer. 
Aktuelle Verkaufszahlen des großen Online-Händlers Mindfactory zeigen, dass die Radeon RX 9070 XT in einer einzigen Woche mehr Exemplare absetzen konnte als die komplette GeForce-RTX-50-Serie zusammen. Für den oberen Mittelklasse-Bereich ist das ein kleiner Paukenschlag.
Laut den öffentlich einsehbaren Statistiken von Mindfactory gingen innerhalb von sieben Tagen knapp 925 Radeon-RX-9070-XT-Karten über die virtuelle Ladentheke. Der Bestseller aus Nvidias aktuellem Line-up, die GeForce RTX 5070 Ti, blieb deutlich unter der Marke von 400 Einheiten. Rechnet man alle bei Mindfactory verfügbaren Modelle der RTX-50-Familie zusammen, landet man bei rund 920 Karten. Rein rechnerisch bedeutet das: Eine einzige Radeon setzt sich in dieser Woche gegen die komplette neue Nvidia-Generation durch – zumindest in diesem sehr enthusiastengeprägten Ausschnitt des Marktes.
Noch klarer wird das Bild, wenn man die kleine Schwester dazu nimmt. Die günstigere Radeon RX 9060 XT kommt im selben Zeitraum auf ungefähr 515 verkaufte Exemplare. Zusammen bringen es RX 9070 XT und RX 9060 XT also auf über 1.400 Karten. Zählt man weitere AMD-Modelle dazu, klettert die Gesamtzahl auf etwa 1.560 GPUs. Nvidia bleibt im Vergleich deutlich darunter und schafft es in dieser Woche bei Mindfactory nicht über die Schwelle von 1.000 Gaming-Karten. Intels dedizierte GPUs tauchen in der Statistik zwar auf, spielen mit Mini-Stückzahlen aber praktisch keine Rolle.
Das heißt allerdings nicht, dass jede neue Radeon automatisch ein Selbstläufer ist. Die Radeon RX 9070 ohne XT wird von den Kunden weiterhin weitgehend ignoriert und kratzt nur an einigen Dutzend Verkäufen. Objektiv betrachtet ist die Karte alles andere als schwach, doch die Zielgruppe sortiert anders: Wer wirklich sparen will, greift eher zur RX 9060 XT, wer auf maximale Features wie Raytracing und Upscaling setzt, landet häufig bei der GeForce RTX 5070. So entsteht ein unattraktiver Sweet Spot in der Mitte, in dem die 9070 ohne XT schlicht zwischen den Stühlen sitzt.
Spannend ist die Frage, warum ausgerechnet die RX 9070 XT so durch die Decke geht. Die Erklärung ist nüchtern: Der Preis ist endlich dort angekommen, wo viele Spieler ihn von Anfang an erwartet hatten. Nach einem Start mit teils sehr ambitionierten UVPs auf beiden Seiten haben die Straßenpreise deutlich nachgegeben. Die RX 9070 XT ist in Europa inzwischen oft nahe an ihrem ursprünglichen MSRP zu bekommen. In dieser Region bietet sie ein Paket, das schwer zu schlagen ist: hohe Rasterleistung, ausreichend Speicher für aktuelle AAA-Titel, ein moderater Stromverbrauch und damit eine ideale Basis für schnelle 1440p-Gaming-Monitore.
Schaut man in Foren und Kommentarspalten, spiegelt sich genau dieses Empfinden wider. Viele Nutzer berichten von Frust mit instabilen Treibern, merkwürdigen Abstürzen oder Problemen mit Steckern und Kabeln bei manchen RTX-Modellen und setzen bewusst auf ein vergleichsweise unkompliziertes Radeon-Setup. Ja, AMD hinkt beim Thema Raytracing und KI-Features in manchen Titeln hinterher, dafür fühlt sich das Gesamtpaket für den reinen Spieler, der möglichst viele FPS pro Euro möchte, oft stimmiger an. Auf der anderen Seite stehen eingefleischte Nvidia-Fans, die zurecht darauf hinweisen, dass DLSS und Frame-Generation in unterstützten Games der RTX 5070 Ti einen deutlichen Vorsprung verschaffen können, sowohl bei der Bildrate als auch bei der wahrgenommenen Flüssigkeit.
Genau an diesem Punkt zeigt sich, wie differenziert man die Mindfactory-Zahlen lesen muss. Der Händler ist zwar groß, bedient aber vor allem Selbstbauer und Hardware-Nerds in Deutschland. Diese Kundengruppe ist preisbewusst, informiert und bereit, Markenloyalität zu hinterfragen, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis kippt. Global sieht das Bild anders aus: Auf vielen internationalen Plattformen führen weiterhin GeForce RTX 5070 und 5070 Ti die Bestsellerlisten an, während die RX 9070 XT im Ranking auf- und absteigt, je nachdem, welche Rabattaktionen, Spiele-Bundles oder Board-Partner-Modelle gerade besonders attraktiv sind.
Auch in Nordamerika ist die Lage alles andere als statisch. Momentan profitiert die RX 9070 XT von Rabattwellen und taucht bei großen Online-Shops häufig weit oben auf. Aber genauso schnell könnte Nvidia mit eigenen Preisaktionen oder neuen Modellen kontern und den Trend drehen. Deshalb sollte man die aktuelle Entwicklung weniger als endgültigen Machtwechsel verstehen und mehr als Beweis, dass AMD mit der RX 9070 XT endlich einen Nerv getroffen hat: Die Karte sitzt preislich und leistungsmäßig genau dort, wo viele Spieler ihre Wunsch-GPU verorten.
Strategisch ist dieser kleine deutsche Ausreißer trotzdem interessant. Nvidia verdient den Großteil seines Geldes inzwischen im Data-Center- und KI-Geschäft, Gaming wirkt oft wie ein abgeleiteter Nebenpfad. Für Enthusiasten entsteht schnell der Eindruck, dass sie für abgespeckte Varianten von Profi-Chips bezahlen. AMD dagegen muss im klassischen Consumer-Segment präsent bleiben, um überhaupt Relevanz und Ökosystem zu sichern. Aggive Preise bei Modellen wie der RX 9070 XT gehören zu den wenigen Hebeln, mit denen das Unternehmen Nvidias Vormachtstellung sichtbar ankratzen kann.
Ob sich diese Momentaufnahme aus Deutschland in weltweiten Marktanteilen niederschlägt, bleibt abzuwarten. Statistiken wie die Steam-Hardware-Survey bewegen sich träge und zeigen eher den Trend vieler Jahre als den Effekt einiger Wochen. Trotzdem senden die Mindfactory-Charts ein klares Signal: Wenn Leistung, Preis und Verfügbarkeit endlich in Einklang kommen, sind PC-Spieler durchaus bereit, alte Gewohnheiten zu überdenken und der Konkurrenz eine echte Chance zu geben. Zum ersten Mal seit langer Zeit beginnt die Diskussion um die beste obere Mittelklasse-GPU nicht automatisch mit einer RTX – und allein das ist ein gutes Zeichen für mehr Wettbewerb und bessere Deals für alle, die gerade über ein Upgrade nachdenken.