
China zwingt Apple, Blued und Finka aus dem chinesischen App Store zu entfernen: Hintergründe, Folgen und was jetzt kommt
Apple hat bestätigt, dass die Dating-Apps Blued und Finka aus dem chinesischen App Store verschwunden sind – nicht aus eigenem Antrieb, sondern nach einer Anordnung der mächtigen Cyberspace Administration of China (CAC), die für Aufsicht und Internetzensur im Land zuständig ist. Erste Hinweise tauchten am Wochenende in chinesischen sozialen Netzwerken auf: Nutzer meldeten, dass die Einträge in der Suche nicht mehr auftauchten und die Seiten in der Store-Ansicht fehlten. Parallel gab es Berichte, dass auch im Google Play Store die Listungen verschwunden seien. Wichtig ist: Wer die Apps bereits installiert hat, kann sie aktuell weiterhin öffnen und nutzen – neue Downloads sind jedoch blockiert und künftige Updates sind ungewiss.
Was Apple sagt – und was nicht
In einer kurzen Stellungnahme bekräftigte Apple seine bekannte Linie: Man halte sich an die Gesetze der Länder, in denen man tätig sei. Die Entfernung betreffe ausschließlich den chinesischen Store. Zugleich verwies Apple auf frühere Änderungen in der Verfügbarkeit: Der Entwickler von Finka habe den Dienst bereits zu Jahresbeginn freiwillig aus Stores außerhalb Chinas entfernt; Blued war zuletzt ohnehin nur noch in China offiziell erhältlich. Die Entscheidung hat damit keinen globalen Charakter, sondern setzt ein nationales Regulierungsgebot um.
Der Kontext: enger werdender Raum für LGBTQ+-Plattformen
Homosexualität ist in China seit den 1990er Jahren nicht mehr strafbar; eine Eheöffnung existiert jedoch bis heute nicht. In den vergangenen Jahren hat sich der Handlungsspielraum für LGBTQ+-Organisationen und -Medien spürbar verengt. Einige Gruppen stellten ihre Arbeit ein, Accounts wurden eingeschränkt oder gelöscht, Inhalte strenger moderiert. Internationale Dating-Apps sind aus dem chinesischen Ökosystem weitgehend verschwunden: Grindr wurde etwa bereits 2022 aus dem App Store entfernt. Vor diesem Hintergrund ist das Auslisten von Blued und Finka mehr als eine Formalie – es trifft zwei der wichtigsten Anlaufstellen für queere Communities im Land.
Frühe Warnzeichen: Registrierungsstopp und grauer Markt
Dass es rumort, war schon im Sommer zu spüren. Blued legte im Juli ohne nähere Begründung die Neuregistrierung für rund einen Monat auf Eis. Die Folge: ein kleiner, aber realer Zweitmarkt, auf dem bestehende Konten teils für rund 20 US-Dollar gehandelt wurden. Im August wurde die Anmeldung neuer Nutzer wieder freigeschaltet. Der Stopp wirkte dennoch wie ein Seismograf – ein Hinweis auf verschärfte Prüfung, interne Neuordnung oder beides.
Wer hinter den Apps steht: Zahlen, Deals, Besitzerwechsel
Blued wuchs in China zu einem der weltweit größten schwulen Social- und Dating-Netzwerke. 2020 zählte die Plattform über 49 Millionen registrierte Konten und mehr als 6 Millionen monatlich aktive Nutzer. Im selben Jahr kündigte die Muttergesellschaft BlueCity die Übernahme des Rivalen Finka für rund 33 Millionen US-Dollar an – ein Schritt zur Konsolidierung von Reichweite und Funktionen, die von Dating über Communities bis zu Livestreams reichen. BlueCity ging 2020 an die Börse, wurde zwei Jahre später delistet und schließlich vom in Hongkong notierten Social-Media-Unternehmen Newborn Town übernommen. Diese Firmenhistorie erklärt, warum regulatorische Entscheidungen oft beide Apps gleichzeitig betreffen.
Außerhalb Chinas: HeeSay als internationale Spur
International hat Blued 2024 einen Richtungswechsel vollzogen: Die Auslandsversion firmiert seitdem unter dem Namen HeeSay. Der Relaunch fand vor allem in Indien, Pakistan und auf den Philippinen Anklang. HeeSay ist weiterhin in mehreren Ländern verfügbar – darunter in den USA, sowohl im App Store als auch bei Google Play. Damit zeigt sich, wie dieselbe Community-Plattform je nach Rechtsraum in unterschiedliche Produktlinien und Compliance-Regeln zerfällt.
Temporär oder dauerhaft? Unklare Perspektive
Ob Blued und Finka in China zurückkehren, ist derzeit offen. In der Vergangenheit wurden Apps nach regulatorischen Beanstandungen nicht selten vorübergehend entfernt und später wieder zugelassen – vorausgesetzt, die Anbieter passten Inhalte, Moderation, Datentransparenz oder Altersverifikation an. Weder Apple noch die CAC nannten Bedingungen oder Fristen. Die Folge: Neuzugänge sind vorerst ausgeschlossen, Update-Zyklen könnten ins Stocken geraten, und die Community muss mit Unsicherheit leben.
Warum das größer ist als zwei App-Icons
Die Auswirkungen lassen sich in drei Ebenen gliedern. Für die LGBTQ+-Community erschwert der Wegfall offizieller Download-Kanäle den Zugang für neue Nutzer und kann Sicherheitsupdates verzögern – sensibel bei Dating-Apps, in denen Schutzmechanismen zentral sind. Für Entwickler unterstreicht der Fall die Volatilität des chinesischen App-Marktes: Richtungswechsel der Regulierung können Millionenreichweiten über Nacht verschließen. Für Plattformunternehmen wie Apple offenbart sich einmal mehr die Spannung zwischen globaler Dienstleistung und lokalen Vorschriften, besonders bei Themen wie Identität, Meinungsfreiheit und digitaler Sicherheit.
Was Nutzer jetzt wissen sollten
- Bestehende Installationen laufen weiter – vorerst. Kernfunktionen sind nutzbar; ob und wann Updates kommen, ist unklar.
- Neue Downloads sind in China blockiert. Die App-Seiten tauchen im China-Store nicht mehr auf, Neuinstallationen sind offiziell nicht möglich.
- Mögliche Rückkehr nur mit Anpassungen. Erfahrungsgemäß verlangen Behörden strengere Moderation, klarere Datenhinweise und teils veränderte Onboarding-Abläufe.
- Ausweichmöglichkeit im Ausland. Die internationale Linie HeeSay bleibt in mehreren Märkten, darunter den USA, verfügbar.
Fazit
Die Entfernung von Blued und Finka aus dem chinesischen App Store verdichtet mehrere Trends: wachsende Aufsicht über soziale Räume, mehr Druck auf identitätsbezogene Communities und die Pflicht globaler Plattformen, nationale Vorgaben umzusetzen. Ob wir eine kurze Compliance-Pause oder eine lange Abwesenheit erleben, entscheidet sich an den Auflagen der Regulierer und der Bereitschaft der Betreiber, diese umzusetzen. Bis dahin bleibt der digitale Alltag queerer Nutzer in China fragmentierter – und eine der sichtbarsten lokalen Dating-Ökosysteme steht auf Warteschleife.
3 kommentare
Politik + Dating-Apps = immer Stress, leider
Hab schon 2022 mit Grindr gerechnet, dass mehr folgt. Jetzt ist es soweit
20 Dollar für einen Account? Wild 😂