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Concord: Wie ein gescheiterter Live-Service-Shooter Fans, Sony und Anwälte auf Kollisionskurs bringt

von ytools
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Concord: Wie ein gescheiterter Live-Service-Shooter Fans, Sony und Anwälte auf Kollisionskurs bringt

Concord: Wie ein gescheiterter Live-Service-Shooter Fans, Sony und Anwälte auf Kollisionskurs bringt

Concord sollte eigentlich das Schaufenster von Sonys Live-Service-Offensive werden. Stattdessen wurde der Hero-Shooter zum Musterbeispiel dafür, wie schnell ein großer Konzern mit einem Projekt krachend scheitern kann. Der Release verlief unterkühlt, die Spielerzahlen blieben von Anfang an erschreckend niedrig, und nur wenige Tage nach dem Start wirkten die Server bereits wie eine Geisterstadt. Nach nicht einmal zwei Wochen zog Sony den Stecker, angeblich bei gerade einmal rund 25.000 verkauften Exemplaren – eine Zahl, die im Verhältnis zu den kolportierten hunderten Millionen Dollar Entwicklungskosten fast absurd wirkt. Kurz darauf wurde das verantwortliche Studio Firewalk geschlossen. Concord war damit offiziell Geschichte – zumindest aus Sicht des Unternehmens.

Für einen kleinen Kreis engagierter Spieler war das Kapitel aber alles andere als abgeschlossen. Diese Leute hatten Spaß mit Concord, so kurz das Zeitfenster auch war. Sie sahen kein Meisterwerk, aber eine Basis mit Potenzial: interessante Helden, ein solides Spielgefühl, einen Ansatz, der mit etwas Feinschliff vielleicht doch seine Nische hätte finden können. Statt die Schultern zu zucken und zum nächsten Service-Game weiterzuziehen, entschieden sie, selbst aktiv zu werden. In klassischer Fanprojekt-Manier begannen sie, Netzwerkverkehr mitzuschneiden, Protokolle zu analysieren und eigene Servertools zu schreiben, um Concord Stück für Stück wieder spielbar zu machen.

Nach Monaten der Reverse-Engineering-Arbeit kam der Durchbruch: Auf einem Discord-Server meldete das Team stolz, man könne wieder ins Hauptmenü gelangen, Helden auswählen, Matchmaking starten und eine Runde im Modus Clash Point spielen. Die Version sei noch voller Bugs, alles work in progress, aber grundsätzlich lauffähig. Zugleich betonten die Freiwilligen, dass sie keinen Freifahrtschein für alle ausstellen wollten. Zugang sollten nur Leute bekommen, die Concord ursprünglich legal erworben hatten, bevor Sony das Spiel aus den Stores nahm und vielen Käufern automatisch den Kaufpreis erstattete. In ihrer eigenen Wahrnehmung arbeiteten sie nicht an einem Gratis-Server für Trittbrettfahrer, sondern an einer Art digitalem Denkmalschutz.

Spätestens als erste Gameplay-Clips auf YouTube und in sozialen Netzwerken kursierten, änderte sich die Dynamik. Medien griffen die Story auf, Screenshots und kurze Videos des wiederbelebten Concord machten die Runde – und genau das scheint Sony auf den Plan gerufen zu haben. Laut Aussagen der Beteiligten hagelte es plötzlich Copyright-Strikes und Takedown-Notices, Videos verschwanden, und im Discord des Projekts wurde das Teilen von Links zu Dateien, die rechtlich heikel sein könnten, strikt untersagt. Die Organisatoren schrieben offen, Anwälte würden sehr wahrscheinlich bereits jeden ihrer Schritte beobachten, und man müsse alles so legal gestalten, wie es innerhalb der Realität überhaupt möglich sei. Einladungen zu weiteren Testläufen wurden ausgesetzt, man sprach von beunruhigenden rechtlichen Schritten im Hintergrund.

Wer die Fangame- und Modding-Szene seit Jahren verfolgt, erkennt das Muster sofort. Eine Gruppe passionierter Fans investiert unzählige Stunden, zeigt, was technisch möglich ist, und in dem Moment, in dem das Projekt eine gewisse Öffentlichkeit erreicht, schlägt das Rechtssystem zu. Selbst wenn man theoretisch Chancen hätte, sich zu wehren, bleibt die Frage, wer sich einen mehrjährigen Rechtsstreit gegen einen Konzern leisten kann. Entsprechend raten viele Veteranen der Szene seit langem: Wenn ihr etwas aus Liebe zu einem bestehenden Spiel baut, arbeitet still und veröffentlicht erst, wenn alles fertig ist – oder, besser noch, nutzt eure Fähigkeiten, um etwas Eigenes zu schaffen. Genau das werfen auch viele Außenstehende den Concord-Bastlern vor: Wer so viel Skill hat, ein komplettes Live-Service-Gerüst nachzubauen, könnte diese Energie in eine neue IP stecken, statt ausgerechnet an diesem Flop festzuhalten.

Auf der anderen Seite wirkt die Reaktion vieler Spieler aufrichtig empathisch. Juristisch, das ist ziemlich unstrittig, bewegen sich die Fanserver auf dünnem Eis. Emotional sieht die Lage aber differenzierter aus. Für die kleine Community, die Concord mochte, ist eine bestimmte Erfahrung schlicht verschwunden. Anders als bei alten Arcade-Automaten, Modulen oder Discs gibt es keinen Offline-Modus, der Jahrzehnte überdauert. Sobald die offiziellen Server abgeschaltet sind, existiert das Spiel faktisch nicht mehr. Dass Fans versuchen, diesen Zustand zurückzudrehen, ist menschlich nachvollziehbar und wirft unangenehme Fragen auf: Wem gehört ein Spiel wirklich, wenn man es nur solange nutzen kann, wie ein Publisher bereit ist, die Infrastruktur zu finanzieren?

Hinzu kommt eine gewisse Doppelmoral im Umgang mit großen Marken. Wenn Nintendo rigoros gegen Fanprojekte vorgeht, heißt es oft, das Unternehmen sei unfreundlich gegenüber Spielern. Tut Sony dasselbe, applaudiert ein Teil der Community plötzlich, weil man "die eigene Marke schützen" müsse. In Wahrheit verhalten sich alle großen Konzerne ähnlich: Sie wollen keine Präzedenzfälle schaffen, bei denen es so aussieht, als duldeten sie inoffizielle Reproduktionen, und sie möchten kontrollieren, wie selbst gescheiterte Produkte später in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Man kann dieses Interesse verstehen und gleichzeitig kritisch hinterfragen, was es für die Spielekultur bedeutet, wenn schon winzige Erhaltungsprojekte mit der vollen Wucht des Urheberrechts konfrontiert werden.

Concord steht zudem stellvertretend für Sonys holprige Live-Service-Strategie. Anfang 2022 versprach der damalige PlayStation-Chef Jim Ryan mehr als zehn neue Service-Titel bis 2026, flankiert von teuren Studioübernahmen wie Bungie, Haven oder Firewalk. Inzwischen ist klar, dass viele dieser Projekte hinter den Kulissen gestrichen oder radikal umgebaut wurden. Berichten zufolge wurden unter anderem ein Live-Service-Ableger zu God of War, ein Twisted-Metal-Projekt, ein Mehrspielertitel von Bend sowie kooperative Pläne rund um Spider-Man und The Last of Us abgeblasen oder eingefroren. Concord war einer der wenigen Titel, die es überhaupt bis zur Veröffentlichung geschafft haben – und ausgerechnet der, der schneller scheiterte, als man die Roadmap erklären konnte. Kein Wunder, dass Sonys Finanzvorstände inzwischen einräumen, die Umstellung auf ein Portfolio mit vielen Service-Games verlaufe "nicht ganz reibungslos".

Gleichzeitig wächst der Unmut bei langjährigen PlayStation-Fans. Die PS4-Ära wurde von starken Singleplayer-Erlebnissen geprägt: Storygetriebene Action-Adventures, die man ins Regal stellen und auch Jahre später noch einlegen konnte. Viele Spieler fürchten, dass Sony diesem Profil den Rücken kehrt, um einem unsicheren Live-Service-Traum hinterherzulaufen und am Ende dort zu landen, wo Publisher wie EA oder Ubisoft von Teilen der Community seit Jahren kritisch gesehen werden. Dass ausgerechnet ein schwacher Neuzugang wie Concord den Zuschlag bekam, während Service-Ideen zu etablierten Marken in der Schublade verschwanden, wirkt für viele wie ein strategischer Blindflug.

Am Ende ist Concord inzwischen mehr als nur eine Randnotiz über einen missglückten Shooter. Das Spiel ist zum Brennpunkt geworden, an dem sich mehrere Konfliktlinien kreuzen: Fans, die ein kurzes, aber geliebtes Erlebnis retten wollen, Konzerne, die ihre Marken und Geschäftsmodelle schützen, und eine Branche, die immer stärker auf flüchtige Online-Welten setzt. Ob das Fanprojekt die juristische Druckwelle übersteht oder im Stillen aufgibt, spielt fast schon eine Nebenrolle. Wichtig ist die Diskussion, die es auslöst: Wie gehen wir mit digitalen Spielen um, die von heute auf morgen verschwinden können? Welche Verantwortung tragen Publisher gegenüber der eigenen Geschichte? Und wie viel Macht bleibt am Ende bei den Spielern, wenn der Aus-Schalter für ihre Lieblingswelt in einem Konferenzraum sitzt, weit entfernt von den Menschen, die einfach nur weiterspielen wollen?

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