WhatsApp ist in Deutschland längst so selbstverständlich wie SMS früher – und trotzdem hat der Messenger bei manchen Funktionen jahrelang geschlafen. Während Dual-SIM-Smartphones schon lange vor dem iPhone XS aus dem Jahr 2018 im Alltag angekommen sind, hing WhatsApp an einem sehr engen Konzept fest: ein Gerät, eine Nummer, eine aktive App. Wer privat und beruflich unterschiedliche Rufnummern nutzt, musste mit Workarounds leben oder gleich zwei Handys mit sich herumtragen.
Genau an dieser Stelle tut sich jetzt endlich etwas. 
In der TestFlight-Beta für iOS erprobt WhatsApp eine native Unterstützung für mehrere Accounts in einer einzigen App. Das bedeutet: nicht mehr auf Hersteller-Funktionen, geklonte Apps oder den Business-Client ausweichen, sondern direkt in der offiziellen Anwendung zwischen zwei Profilen wechseln. Für viele Nutzerinnen und Nutzer dürfte das eines der überfälligsten Updates seit Jahren sein.
So funktioniert Mehrfach-Login in der iOS-Beta von WhatsApp
In der aktuellen Testversion taucht in den Einstellungen ein neuer Bereich namens Account List auf. Über dieses Menü lässt sich ein zweiter Account hinzufügen – entweder wird ein komplett neues Profil angelegt oder ein bestehender Account eingebunden, der bislang auf einem anderen Gerät oder im WhatsApp Business Client lief. Derzeit ist die Beta auf zwei Konten begrenzt, deckt damit aber genau den typischen Alltag ab: eine private Nummer und eine geschäftliche Nummer auf demselben iPhone.
Wichtig ist: Die Profile werden sauber getrennt. Jeder Account behält seinen eigenen Chat-Verlauf, eigene Backups, eigene Benachrichtigungseinstellungen und eigene Privatsphäre-Optionen. Wer also den lauten Projekt-Gruppenchat vom Büro stummschalten möchte, ohne gleichzeitig den Familienchat zu beeinträchtigen, kann das tun. Auch unterschiedliche Profilbilder und Status-Texte sind möglich – seriös im Business-Account, locker im privaten Profil.
Der Wechsel zwischen den Konten ist direkt in die Navigation eingebaut. Zum einen kann man im Bereich Account List manuell das gewünschte Profil auswählen. Zusätzlich gibt es praktische Shortcuts: Ein Doppeltipp auf den Tab Einstellungen springt zum nächsten aktiven Account, ein längerer Druck auf denselben Tab öffnet ein kleines Auswahlmenü. So wird aus dem Kontowechsel kein komplizierter Login-Prozess, sondern eine schnelle Geste, die man im Alltag kaum noch bewusst wahrnimmt.
Auch das Benachrichtigungssystem wurde angepasst. Sobald mehr als ein Account aktiv ist, zeigen Push-Meldungen nicht nur den Namen des Absenders, sondern auch, für welches Konto die Nachricht bestimmt ist. Dadurch sinkt die Gefahr, aus Versehen vom falschen Profil zu antworten oder wichtige berufliche Nachrichten im Strom privater Chats zu übersehen.
Warum dieses Update so spät kommt
Gerade mit Blick auf Europa wirkt die Verzögerung fast absurd. Dual-SIM und eSIM gehören bei vielen Android-Modellen längst zum Standard, und auch Apple setzt zunehmend auf mehrere Profile auf einem Gerät. In der Realität haben viele Menschen mindestens zwei Nummern: eine fürs Büro, eine für Freunde und Familie. Wer viel reist, ergänzt das gern noch um eine zusätzliche SIM für lokale Tarife.
WhatsApp klammerte sich trotzdem jahrelang an das alte Prinzip: ein Account pro Nummer, ein Account pro Installation. Das führte zu allerlei Eigenlösungen. Beliebt war etwa der Griff zum WhatsApp Business Client, der missbräuchlich einfach als zweiter privater Messenger verwendet wurde. Manche Hersteller integrieren Funktionen zum Klonen von Apps, damit zwei WhatsApp-Instanzen parallel laufen können. Und nicht wenige Nutzer haben sich notgedrungen ein zweites Smartphone angeschafft – fast ausschließlich, um zwei WhatsApp-Konten sauber trennen zu können.
Technisch liegt das daran, dass die Identität bei WhatsApp immer direkt an die Telefonnummer gekoppelt war. Das Modell sah schlicht nicht vor, mehrere Identitäten in einem Client zu verwalten. Mit dem neuen Mehrfach-Login für iOS erkennt der Dienst endlich an, dass ein Mensch unterschiedliche Rollen haben kann – Angestellte, Selbständige, Eltern, Vereinsmitglieder – und diese Rollen nicht unbedingt in einem einzigen, bunten Chat-Mix verschwimmen sollen.
Mehrere Accounts, Usernames und ein flexibleres Identitätsmodell
Parallel zum Multi-Account-Test arbeitet WhatsApp an einer weiteren grundlegenden Neuerung: Benutzernamen. Was bei Telegram und anderen Messengern längst Alltag ist, könnte auch bei WhatsApp kommen. Ein Username erlaubt es, Kontakt aufzunehmen, ohne die eigentliche Telefonnummer preiszugeben. Für öffentliche Gruppen, Community-Projekte, Gaming-Chats oder Creator, die mit vielen Followern schreiben, wäre das ein massiver Gewinn an Privatsphäre.
Wenn Usernames tatsächlich breit ausgerollt werden, könnte die harte Bindung an die Mobilnummer deutlich weicher werden. In Kombination mit mehreren Accounts in einer App entstehen neue Szenarien: ein abgeschottetes Privatprofil, ein halböffentliches Profil für Communitys und Fans und ein klar definierter Business-Account für Kundinnen und Kunden. Alle drei laufen im gleichen Messenger, sind aber sauber voneinander getrennt, was Sichtbarkeit und Erreichbarkeit betrifft.
WhatsApp ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Lange Zeit hatte man das Gefühl, WhatsApp bewege sich nur im Schneckentempo. Die Nutzerzahlen waren so groß, dass viele blieben, obwohl Konkurrenz-Apps schneller neue Funktionen brachten. In den letzten Monaten wirkt Meta jedoch deutlich aktiver: Das offizielle Apple-Watch-App erlaubt schnelle Antworten direkt am Handgelenk, Übersetzungsfunktionen in Chats helfen bei internationalen Gesprächen, Gruppen-Features, Anrufe und Sicherheitsoptionen werden Schritt für Schritt modernisiert.
In dieses Bild passt die Multi-Account-Funktion perfekt. Sie ist kein spektakulärer Show-Effekt, sondern eine sehr praktische Antwort auf ein Problem, das Millionen Menschen seit Jahren nervt. Wer zwischen Homeoffice, Büro, Familie und Nebenprojekten jongliert, gewinnt damit ein Werkzeug, um Grenzen klarer zu ziehen – digital und mental.
Was sich im Alltag konkret ändert
Für Selbständige, Freiberufler und kleine Unternehmen kann die Möglichkeit, zwei WhatsApp-Konten auf einem iPhone zu nutzen, ein echter Produktivitätsschub sein. Man kann den geschäftlichen Account nach Feierabend konsequent stummschalten, ohne im Freundeskreis als nicht erreichbar zu gelten. Umgekehrt lassen sich private Gruppen und Chat-Fluten während konzentrierter Arbeitsphasen ausblenden.
Auch Menschen, die im Ausland leben, pendeln oder regelmäßig reisen, profitieren. Die Kombination aus heimischer Nummer für Bank, Behörden und Familie und lokaler SIM für Daten und Anrufe ist längst Alltag. Mit dem neuen System entfällt das ständige Aus- und Einloggen, das Warten auf SMS-Codes und die Sorge, der Account könnte wegen zu vieler Aktivierungen als verdächtig eingestuft werden.
Noch läuft alles unter dem Label Beta, und bis zum offiziellen Rollout kann sich die Oberfläche oder das Limit der Accounts durchaus ändern. Doch zusammen mit den geplanten Benutzernamen und den vielen kleineren Verbesserungen zeichnet sich eine klare Richtung ab: WhatsApp entwickelt sich vom starren Ein-Nummer-Messenger zu einem flexibleren Kommunikationszentrum, das besser zu einem Leben passt, das längst nicht mehr in eine einzige Telefonnummer hineinpasst.